Episode 3 "Mord hat nichts mit Demokratie zu tun!"

Show notes

Ellen Tordesillas – unerbittliche Jägerin der Wahrheit

Genau heute in einem Jahr, also am 30. Juni 2022, wird die Amtszeit von Präsident Rodrigo Duterte zu Ende gehen. Dann müssen die Filipinos Bilanz ziehen über die vergangenen sechs Jahre. Und auch wenn es aus deutscher Sicht schier unerträglich erscheinen mag, dass dann ein(e) von Duterte handverlesene(r) Kandidat*in an die Macht kommen könnte: Zurzeit gilt seine Tochter Sarah als die aussichtsreichste Bewerberin für das oberste Amt in dem südostasiatischen Inselstaat.

Grund genug für Ellen Tordesillas, in diesem Podcast und an diesem Tag über die Lage und die Zukunft ihrer Heimat zu reden. Ellen kam im Herbst 2020 als Gast der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte für ein Jahr an die Elbe. Seither führt die „Grande Dame“ des philippinischen Investigativ-Journalismus ein spannendes Doppel-, manchmal gar ein Dreifachleben. Um 04:30 Uhr Hamburger Zeit leitet sie über Zoom die erste Redaktionssitzung bei www.verafiles.org in Manila. Anschließend gibt es online Zeit für internationale Journalisten, Diplomaten und Sponsoren ihrer digitalen Medien-NGO. Dann aber ihre nach eigener Einschätzung wohl wichtigste Arbeit: Die Mitbegründerin von „Vera Files“ unterweist die über ganz Europa verstreuten Mitglieder der philippinischen Diaspora im Fact Checking der Behauptungen von Präsident Duterte und seiner Regierung. Denn: „Die meisten Fake News über die Lage auf den Philippinen verbreitet der Präsident persönlich!“

Ellen Tordesillas und ihr kleines Team von „verafiles“ sind fest entschlossen, eine von der Verfassung nicht vorgesehene heimliche zweite Amtszeit Dutertes mit journalistischen Mitteln zu verhindern. „Truth is our business“, zitiert sie das Motto ihrer Organisation und gibt sich doch keinen vorschnellen Illusionen hin. Seit dem Sturz von Ferdinand und Imelda Marcos im Jahr 1986 weiß sie, wie schwer es ist, einen Diktator und seine Entourage aus dem Amt zu jagen.

Wie gut die Journalistin Tordesillas sein kann, hat Duterte schon vor Jahren erfahren. Da bekam sie Bankauszüge und Gehaltslisten der Stadt Davao auf der Insel Mindanao zugespielt. Bis dahin unerklärte Finanztransaktionen konnte sie als versteckte Gehaltszahlungen an die Todesschwadronen des damals amtierenden Bürgermeisters identifizieren. Sein Name: Rodrigo Duterte.

Die versprochene Untersuchung des Skandals blieb aus. Präsident Duterte besetzte die obersten Positionen der zuständigen Ausschüsse und Behörden mit engen Vertrauten.

Auch die Untersuchung über die bis zu 30.000 Opfer seines „Krieges gegen Drogen“ hat Duterte bisher erfolgreich verhindern können. Polizisten und Armeeangehörige, so der indiziengestützte Verdacht der Journalistin Tordesillas und ihrer Kollegen, verwandeln sich nach Schichtende in Mitglieder von Todesschwadronen. Recht und Gesetz, sagt Ellen Tordesillas, scheinen für diese Mörder nicht zu gelten.

Doch das könnte sich ändern: Mitte Juni 2021 hat Fatou Bensouda, die seitdem aus dem Amt geschiedene Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC), die formale Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens gegen Präsident Duterte beantragt.

An der Aufdeckung all dieser einer Demokratie unwürdigen Skandale war Ellen Tordesillas beteiligt. Kein Wunder, dass die Wut des Präsidenten zu einer konkreten Gefährdung der Journalistin wurde. „Wir stellen uns“, sagt sie in ihrer Hamburger Wohnung, „auf einen fürchterlichen Wahlkampf ein. Mit unserer Arbeit haben wir Duterte in die Ecke getrieben. Dann sind Menschen wie er am gefährlichsten.“ Dennoch will sie das Ende der Amtszeit von Rodrigo Duterte vor Ort in Manila erleben: „Die Filipinos haben schon einmal einen Diktator gestürzt. Ich bin sicher, dass sie das auch ein zweites Mal schaffen.“

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